Sonntag, 2. Dezember 2007

5 Stunden am Freitag

Freitags ein ganz normaler Tag wir bereiten das Essen fuer die Obdachlosen vor. Um 10 Uhr wird angefangen das Gemuese zu schneiden und man bemerkt, dass die Kartoffeln nicht reichen werden. Kurzerhand beschlossen mache ich mich auf den Weg zum naechsten Supermarkt um Kartoffeln zu kaufen. Mittlerweile haben sich schon einige Obdachlose im Vorhof angesammelt und liegen zwischen zerfetzten Plastiktueten und Pappkartons und Muellsaecken. Ich oeffne die Tuere und das erste was mir entgegenkommt ist eine Frau mit einem 5 Monate alten Kind. Das Kind sitzt so halben auf ihrer Huefte und wird notduerftig mit der anderen Hand festgehalten. Die andere Hand streckt sie mir entgegen und haelt eine Plastikflasche entgegen die richtig druebe vor Dreck ist. Sie freagt mich mit wenigen Worten ob ich ihr Wasser geben kann. Ich nehme die Flasche in die Hand und bemerke, dass diese nach menschlichem Urin riecht. Ich drehe mich um geh ans Waschbecken wasche die Flasche aus und fuelle sie mit Wasser. Danach gebe ich sie der Frau wieder in die Hand und sie dankt mir im Namen Gottes, und sagt: „Deus abençõe” Was so viel heist wie Gott segne dich! Beim geben der Flasche faellt mir auf das die Frau total rote Augen hat, das kommt hoechst wahrscheinlich davon, dass sie die Nacht zuvor irgendwo in der Ecke lag und sich mit den anderen Obdachlosen durch abgebrochene Radioantennen von Autos, Stones reingezogen hat. So nennt man ein kleines Stueck Crack. Die Droge ist sehr guenstig und hier wirklich sehr verbreitet. Es heisst nich nur umsonnst Crackland! Von der Droge wird man sehr schnell abhaengig und kommt ohne weitere Hilfe nicht mehr weg. Alkohol und andere Drogen sind aber auch ganz gang und gebe. Ich sag zu der Frau noch ein paar kurze Worte auf Portugiesisch und gehe weiter. Bei den ersten paar Schritten muss man aufpassen, dass man nicht auf irgenwelche Fuesse von den Obdachlosen tritt. Denn man muss sich durch die Warteschlange der Obdachlosen bewegen. Dann kommt auch schon die naechste Hand entgegen um abzuklatschen, das ist hier ganz gang und gebe in Brasilien es wird mit der offenen rechten Hand abgeklatscht und danach mit der Faust gegeneinander geschlagen. Ich schau den Mann an und sehe das er total besoffen ist. Er lallt ein paar kaum verstaendlich Worte an mich und ich moechte aber weiter, sonnst lasse mich noch auf ein langes Gespraech ein und komme nicht mehr weiter auf meinem Weg. Kurzerhand wird gesagt das es einem gut geht und er antwortet darauf auch, ihm geht es auch gut. Wobei alle aeuserlichen zustaende genau das Gegenteil beweisen. Mein Kopf dreht sich Richtung Strasse und ich gehe weiter. Kinder Jugendliche sitzen an der Strasse und reden oder spielen irgendwelche Spielchen. Maedels vom Nachbarhaus, die den ganzen Tag nur auf der Strasse vorm Haus sind spielen mit den Hunden. Die Hunde haben zum Teil gar kein Fell mehr und laufen ueberall umher und pinkeln alles voll. Vorne an der Strasse angekommen schlage ich meinen Weg nach links ein. Dort komme ich an der Stelle vorbei, an der wir unsere Muellsacke hinstellen die zum Abholen warten. Wobei sie bis dahin nie ganz ueberleben werden, weil sich schon wieder einer der Obdachlosen auf die Durchsucheung von unserem Muell eingelassen hat um irgendwelche Dinge zu finden, die er vielleicht noch verkaufen koennte oder Essen koennte! Gestern Abend sah ich noch wie an der gleichen Stelle ein andere Ueber unsere Muellsaecke uriniert hat. Den Anblick ist man schon so langsam gewoehnt und man laesst sich auch nicht von dem Gestank von Urin und Menschlichem Kot auf der Strasse nicht ablenken. Immer wieder findet man einen Haufen an der Wand. Die Waende sind durchzogen von schwarzen Brandflecken. Diese stammen davon ab, dass die Obdachlosen irgendwo Kaebel klaeuen oder aus dem Muell fischen und danach durch das anbrennen der Kaebel das Plastik entfernen um sich ein bisschen Geld zu verdienen. Diese Kupferdraehte werden danach auf irgendeneiner Recyclingstation verkauft. Ich gehe weiter und es Kommt mir eine Person entgegen. Zuerst denke ich das es eine Frau ist. Bei der Begruessung faellt mir aber auf, dass die Person eine sehr tiefe Stimme hat, dass ist das Zeichen, dass dies ein Transvestit ist, der sich wahrscheinlich gerade auf den Strich bewegt oder vom Strich kommt. Ein weiteres Merkmal, dass diese Person urspruenglich mal ein Mann gewesen sein sollte liegt an der Haltug der Armen. Die Arme der Frauen sind immer leicht nach ausengewendet und die der Maenner nicht. Falls man sich nicht sicher ist kann man dort seine Vermutung noch ein mal bestaetigen lassen. Auf meinem weiteren Weg komme ich an einer uepischen Bar vorbei, in der man sich was zum Essen kaufen kann oder etwas zum Trinken. Drinnen sitzen Maenner und trinken schon ihr erstes Bier. Beim Ueberqueren der Strasse muss ich aufpassen, dass ich nicht von einem Auto angefahren werde, denn die Verkehrsregeln gelten hier nirgens. Es wird einfach nur losgefahren. Links rechts es wird ueberall ueberholt oder gehubt. Man erschrickt sich, weil einer die Kurve zu schnell genommen hat und die Reifen ein Bisschen quitschen. Ich gehe in den Supermarkt und hole mir meine 5 Kilogramm Kartoffeln und gehe zur Kasse. An der Kasse gibt es verschiedene Schlangen eine oder 2 Schlangen fuer die Aelteren Schwangeren, eine Andere fuer eine Anzahl von begrenzten Teilen. Dort duerfen max. nur 10 Dinge gekauft werden. Und Die normale Schlange fuer den Rest der Welt. Ich begebe mich an die Schlange fuer die Begrenzte Anzahl, weil ich nur Kartoffeln kaufe. An der Kasse angekommen bezahle ich ca. 6 Real das sind so ungefaehr 2,80 Euro. Nach der Kasse steht ein Mann der mir meine Tuete Kartoffeln noch in eine extra Plastiktuete packt. Dieser Mann hat einen Festen beruf und arbeitet bis zu 12 Stunden und bleibt immer nur an der Kasse stehen. Arbeitskraefte sind aufgrund der Ueberbevoelkerung sehr schlecht bezahlt. Nachdem ich den Supermarkt wieder verlasse begebe ich mich wieder in die Zone wo Smog und Gestank die Welt regieren. Keiner kennt sich gegenseitig alle Menschen laufen kreuz und quer durcheinander und ich fuehle mich, als waehre ich ein Nichts!
Kurz vor der CENA unserem Missionsgebaude sitzen dann die Obdachlosen und warten auf das Essen. Die Schlange wird immer groesser und es versammeln sich immer mehr. Man sieht viele kranke Menschen. Jugendlich bei denen zum Teil ein Fuss fehlt oder Erwachsene mit einer zerbrochenen Schulter, weil er irgendwo gestuerzt ist oder eine Schlagerrei hatte und sie auf ihn eingetreten haben. Danach ging er hoechstwahrscheinlich nicht zum Krankenhaus, weil man dort nicht immer Hilfe findet. Es besteht zwar eine Behandlungspflicht aber die wird nicht so ganz ernst genommen. Andere Personen haben im Gesicht auf dem Ruecken oder auf der Schulter irgendwelche Narben von Messerstechereien oder Einschussloechern. Dass erinnert mich wieder an einen von unseren resozialisierten Obdachlosen, der auf unserer Missionseinrichtung im Dschungel wohnt. Der hat mir einmal seine Narben gezeigt und mir seine Geschichte erzaehlt. Nur kurz kommen mir die Bilder in den Sinn wie ich es mir vorstelle, wie er seine eigenen Gedaerme in der Hand haelt und so ins Krankenhauseingeliefert wird. Er wurde ein mal am ganzen Bauch aufgeschlitzt wegen irgendeiner nichtigen Streiterei. Des weiteren hat er mir noch seine Einschusswunden gezeigt, die ebenfalls nur knapp an den lebenswichtigen Organen vorbeigingen. Jetzt glaubt er mittlerweile an Gott und ist schon seit 5 Jahren clean von jeder Droge. Er freut sich sehr, dass wir hier sind und den Menschen hier mit brasilianischer Zusammenarbeit helfen!
Das naechste Bild stellt sich mir in den Weg ein Jugendlicher in meinem Alter der nachts immer vor unserem Haus liegt und Crack raucht. Er hat eine offene Platzwunde an seinem Oberarm, diese Wunde kommt wohl von letzter Nacht von irgendeiner Schlaegerei im foelligen Delirium.
Ich gehe weiter und denke ueber meine Gefuehle und merke, dass ich trotz des ganzem was ich auf diesem Weg gesehen habe ich froehlich und zufreiden bin. Ich merke das es wirklich Spass macht den Menschen zu helfen und ihnen von Gott zu erzaehlen. Ich merke, dass man eine innerliche Ruhe bekommt und man sich wieder freut die Kueche zu betreten um mit den Missionaren weiterzukochen.
Gegen halb drei werden die Tueren dann geoeffnet und es kommen so ungefaehr 120 Obdachlose die zuerst ein Essen bekommen das meistens aus ein bisschen Wurst, Reis und Bohnen und Kartoffeln oder anderem Gemuese besteht. Die Leute lassen ihre Namen bei uns in der Liste eintragen und setzen sich in der Halle auf den Boden oder auf Stuehle. Dann bekommen sie eine Andacht die sie gerne entgegennehmen. Ob sie Jesus aber als ihren Retter akzeptiert haben ist hier aber weniger klar. Der groesste Teil ist so oder so fast am Einschlafen. Die letzte Nacht steht ihnen noch schwer ins Gesicht geschrieben. Danach duerfen wir ihnen das Essen austeilen. Die meisten Bedanken sich ganz hoeflich und wollen danach eine zweite Portion, die dann auch ausgeteilt wird. Die Halle fuellt sich mehr und mehr mit dem Gestank der Strasse und es stink nach kurzer Zeit so krass wie auf jeder Muellhalde. Man gewoehnt sich aber so langsam an den Geruch und ignoriert ihn dann einfach. Danach koennen die Obdachlosen eine Dusche nehmen und dann gehts fuer uns schon wieder ans Putzen. Manchmal kommt es vor, dass wir Vekalien vom Boden auf den Duschen aufputzen muessen, weil sie sich einfach nicht beherschen koennen und Alles waehrend dem Duschen auf den Boden lassen.
Im Ganzen kann ich dann immer sagen bin ich froh, dass ich hier nur ein Jahr bin, denn wenn man dieses Bild Tag fuer Tag ueber mehrere Jahre sieht, glaube ich das man ganz schoene Schaeden davontragen kann. Die Personen sind zwar zum groessten Teil zwar immer froehlich drauf, das liegt aber meist nur an der Ueberdosis von Glueckshormonen die noch im Koerper vorhanden ist von irgendeiner Droge.

Das war ein Tag ganz normal der Ausschnitt geht ueber 5 Stunden. Vielleicht kann ich ein mal noch schreiben wie es aussieht wenn man nachts auf die Strasse geht aber das dauert wahrscheinlich noch ein bisschen!

Keine Kommentare: